Von STEFAN ANKER
Es gibt natürlich keine “The-Hottest-Liste” ohne Ferrari. Es gibt, zumindest gefühlt, auch keinen Genfer Salon ohne eine Ferrari-Neuheit. Auf dieser speziellen Messe, wo auch immer exotische Sportwagenmarken wie Pagani und Koenigsegg ihr Unwesen treiben, muss Ferrari einfach zeigen, wer der Herr im Haus ist. Dieses Mal sogar mit einer Art Revolution.
Gut, der neue 488 GTB ist nicht der erste Ferrari mit Turbolader, aber dass diese Technik nun in den reinrassigsten aller Ferrari-Sportwagen Einzug hält, nämlich in das Mittelmotor-Modell, das spricht doch Bände. Der Turbo muss sein, einfach weil er im Normzyklus weniger verbraucht, und weil so viele Regierungen weltweit auf solche Details achten.
So sagt es Amedeo Felisa, der Chef, in Genf, und er sagt es mit einer gewissen Unlust. Nicht weil er an seiner neuen Technik keinen Spaß hätte, sondern weil ihn die Fragerei nervt. Wird der Turbo denn noch den richtigen Sound haben? Wird er aufs Gas ansprechen wie ein Saugmotor? Muss das denn alles sein? Wenn ich so genau wie Felisa wüsste, dass ich meinen Turbomotor schon richtig hinbekommen habe, dann würde es mich vielleicht auch stören, wenn irgendwelche Laien das immer wieder infrage stellen. Andererseits sollte man darauf vorbereitet sein, dass Journalisten, wenn sie denn kommen, auch fragen. Das ist ihr Job.
Aber ich für meinen Teil war ja schon vorgewarnt durch die Einladung zu der Pressekonferenz am Ferrari-Stand. 30, vielleicht 40 Journalisten waren gebeten worden, zweimal kam die Mail, und zweimal stand darin, es würden nur Fragen zum Produkt beantwortet. Hieß übersetzt: Nichts zur Konkurrenz fragen, nichts zur Strategie, nichts zur Formel 1 und vor allem: nichts zu Montezemolo.
Der charismatische Presidente, der in den letzten Jahren jede Pressekonferenz und jedes Interview zu einem charme-sprühenden Erlebnis gemacht hatte, war nun nicht mehr da, und ich für meinen Teil hatte angenommen, dass sein Nachfolger, Fiat-Boss Sergio Marchionne, auch nicht erscheinen würde. Er antwortet gewöhnlich nicht allzu begeistert auf Fragen.
Doch Marchionne hatte einen schwarzen Pullover aus dem Schrank geholt und war mitgekommen, und nun konnte wirklich jeder einen Charme-Vergleich anstellen. Dafür brauchte man allerdings nicht zu viel Mühe, denn wo Montezemolo zu anekdotenreichen Vorträgen angesetzt hatte, reichte Marchionne ein genuschelter Satz.
Immerhin erfuhr man zweierlei: “Die Autos im Ferrari-Portfolio werden sich ändern, die Struktur des Portfolios aber nicht.” Und: “Wir bauen immer ein Auto weniger, als der Markt verlangt.”
Die erste Aussage bestätigt den Kurs von Montezemolo – keine weitere Auffächerung der Modellpalette, vor allem nicht mit einem wie auch immer gearteten SUV. Der zweite Satz aber läutet einen Wandel ein. Auf den ersten Blick unterstützt er die Knappheits-Strategie von Montezemolo. Aber für den zweiten Blick braucht man eigentlich nicht lang. “Immer ein Auto weniger, als der Markt verlangt”, das sagen sie auch bei Porsche. Das ist ein Großserien-Satz, man könnte ihn auch bei Audi oder Toyota sagen, denn er bedeutet nur, dass man keine Autos auf Halde produzieren will. Höchste Begehrlichkeit erzeugt man nicht mit diesem Satz, sondern mit einer Stückzahlgrenze. Montezemolo wollte es bei 7000 Ferrari pro Jahr belassen, Marchionne will ein Auto weniger, als der Markt verlangt, also vielleicht auch mal 19.999 statt 20.000.
Dieser Fall wird zwar so schnell nicht eintreten, aber über die Knappheits- oder Stückzahlstrategie (kommt ganz auf den Blickwinkel an) hatten sich Marchionne und Montezemolo entzweit, und da Ferrari immer zu Fiat gehörte und nicht umgekehrt, war schnell klar, wer den Machtkampf gewinnen würde.
Nun gibt es nur noch eine Marke, deren Chef ganz offiziell darauf achtet, nicht zu viele Autos zu verkaufen, das ist Rolls-Royce. Die allerdings bauen im Gegensatz zu Ferrari demnächst ein SUV, und das könnte am Ende die jährliche Stückzahl (heute gut 4000) in Richtung der 10.000er-Marke schieben, die Rolls-Royce-Chef Torsten Müller-Ötvös doch für undenkbar hält.
Ist es nicht immer wieder schön, sich über Luxusprobleme zu unterhalten?
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