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Er ist wieder da. Mein Führerschein ist wirklich wieder da

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Von STEFAN ANKER

Nach einem Monat Fahrverbot bin ich froh, wieder zur Gruppe der Auto fahrenden Menschen zu gehören. Allerdings haben mir die insgesamt 34 Tage ohne Führerschein doch einige Erkenntnisse verschafft, die ich sonst vielleicht nie gewonnen hätte.

34 Tage, wieso 34 Tage? Weil ich ganz zu Anfang lernen musste, dass das Fahrverbot, das ich wegen heftigen Zu-Schnell-Fahrens bekommen hatte, nicht von dem Tag an gilt, an dem ich meinen Führerschein per Einschreiben (also immerhin beweisbar) an die Behörde schicke. Sondern erst von dem Tag an, an dem sie ihn tatsächlich  erhält. Das hätte ich vorher wissen können, ja, aber ich war schließlich “Ersttäter”, wie mich die Behörde tatsächlich nannte, und da hat man mit den Methoden des Strafvollzugs noch nicht so viel Erfahrung.

Ganz am Ende erfuhr ich, was Versuchung heißen kann. Denn das Amt zieht dann noch einmal die psychologischen Daumenschrauben an und schickt den Schein ein paar Tage zu früh zurück. Damit er am Ende des Fahrverbots dann auch tatsächlich in meiner Brieftasche steckt. Das ist zwar löblich, aber es hat das Leiden auch noch ein bisschen vergrößert. Die Fahrerlaubniskarte lag da auf dem Schreibtisch herum, ein viel zu junger Stefan Anker glotzte mich blöde an, und ich hörte Stimmen in meinem Kopf, die summten und sangen, ich solle doch wieder fahren, das Auto habe mir doch so lange gefehlt, ach, was solle denn passieren.

Ich habe widerstanden. Ich fahre tatsächlich erst heute wieder Auto, indem ich meinen Citroën zur Redaktion bewege und von dort einen Hyundai ix35 mit Brennstoffzelle abhole. Also gleich wieder ganz normaler Ernst des Lebens, die Vorstellung gefällt mir.

Aber ich wollte ja erzählen, was sich in meiner Wahrnehmung verändert hat. Und auch wenn mich die ganzen PS-Junkies und Petrolheads, die hier mitlesen, dafür verachten: Inzwischen kann ich ein bisschen nachvollziehen, warum manche Menschen Autos nicht einfach großartig finden, sondern laut, lästig, manchmal sogar gefährlich. Ich bin nämlich ziemlich viel Fahrrad gefahren (man ahnt nicht, wie viele Kurzstrecken zwischen fünf und 15 Kilometer zum Leben gehören), und aus Sicht eines Fahrradfahrers sind Autos tatsächlich genau dies: laut, lästig und manchmal sogar gefährlich.

Bevor jetzt jemand meine Polemik gegen Fahrradfahrer aus dem Archiv kramt, mache ich es lieber selbst: Hier ist sie zu lesen, und ich habe davon nichts zurückzunehmen, vor allem nicht die Schlussfolgerung, dass Radfahrer besser nicht auf ihr Recht bestehen, sondern vielleicht auch mal Intelligenz walten und einem halbblinden Autofahrer den Vortritt lassen. Statt am Ende Recht gehabt zu haben, aber tot zu sein.

Ganz ehrlich: Bei Dunkelheit mit einem (beleuchteten) Fahrrad unterwegs zu sein und an eine Kreuzung heranzurollen, an der man Vorfahrt hat, das ist ein Risiko. Man kann ü-ber-haupt nicht sicher sein, dass Autofahrer einen wahrnehmen, das ist wirklich beeindruckend. Sämtliche Antennen müssen beim radfahrenden Menschen aufgestellt sein, um im Dschungel der blechernen Ungeheuer zu bestehen.

Immerhin, das schärft die Sinne.

Was die Reflexe eher abtötet, das ist die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs. Ich werde nie verstehen, wie manche Menschen dafür eine Leidenschaft entwickeln können. Okay, wenn man einen ruhigen Sitzplatz findet (haha), dann kann man lesen und das Ganze ein bisschen als quality-time begreifen. Dafür haben aber alle Fahrten, die ich mit Bus und Bahn machen musste, weil sie fürs Rad dann doch zu weit waren, zwei bis drei Mal länger gedauert als mit dem Auto. Hier wird das Fahrverbot wirklich zur Strafe.

Eine Geldstrafe ist es überdies, weil mein Wagen sich die Reifen platt gestanden hat und trotzdem 600 Euro Fixkosten für den Stillstand-Monat zu bezahlen waren. Okay, zweimal haben wir das Auto doch genutzt, vielleicht habe ich darum nur 500 Euro verloren. Ich bin natürlich nicht gefahren, sondern meine Frau hat mich chauffiert. Auch das war eine eigentümliche Sache, weil wir in dieser Hinsicht eine eher klassische Ehe führen: Vati fährt, egal wohin, egal wie lange.

Das ist nicht deshalb so, weil meine Frau schlecht oder unsicher führe, ganz und gar nicht. Ich kann sogar einschlafen auf der Beifahrerposition, wenn meine Frau am Steuer sitzt. Nur teilt sie ganz und gar nicht meine Liebe zur Technik, sie sieht das Auto nur als Ding und nicht als lebendiges Maschinenwesen. Es ist ihr völlig egal, ob die Kupplung ein bisschen schleift, ob es beim Schalten ruckelt, oder ob sie den Kurvenradius ein-, zweimal korrigieren muss. Ankommen ist für sie wichtig, nicht das Erlebnis, ein Auto zu steuern und diese Aufgabe auch zur stilistischen Perfektion zu bringen. Die B-Note ist ihr schnuppe, aber mein Auto und ich haben das tapfer ertragen.

Und es gab auch einen komischen Moment dabei: Meine Frau fuhr zu schnell und ist geblitzt worden.

Der Beitrag Er ist wieder da. Mein Führerschein ist wirklich wieder da erschien zuerst auf PS.


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