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Die heißesten Autos von Genf, Teil 7: Opel Karl

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Opel Karl beim Genfer Salon 2015
Der neue Opel Karl tritt im typischen, sonnig-lächelnden Opel-Kleinwagendesign auf Foto: S. Anker

Von STEFAN ANKER

Ja, da gucken Sie. Einen Opel zu den heißesten Autos zu zählen, das scheint Ihnen gewagt, frivol sogar. Aber das stimmt nicht – schließlich habe ich beobachtet, wer sich diesen kleinen Wagen ganz genau angesehen hat.

Es war am Ende des ersten Pressetages. Alle Interviews durchgestanden, alle Roundtables absolviert, da gingen die Herren Zetsche (Mercedes-Chef), Weber (Entwicklungsvorstand), Källenius (Vertriebsvorstand) und Wagener (Chefdesigner) durch die Halle, und bei Opel blieben sie stehen. Um ein Auto zu begutachten, auch mal drinzusitzen, das ihren Smart preislich souverän unterbietet.

Den Opel Karl gibt es tatsächlich schon ab 9500 Euro, das sind immerhin 835 Euro weniger als beim Smart Fortwo und 1495 Euro weniger als bei der viertürigen Version Forfour. Nun gilt Smart seit jeher als Lifestyle-Produkt mit Premiumanspruch, und beim Opel Karl ist das anders. Trotzdem ist der Preis entscheidend bei den ganz kleinen Autos, und ein Opel-Manager unkte am Abend beim Essen, dass die Daimler-Bosse wohl mal sehen wollten, wie man so ein kleines Auto auch profitabel hinbekomme.

Opel Karl beim Genfer Salon 2015
Interesse am Karl: Daimler-Chef Dieter Zetsche (r.) und sein Vertriebsvorstand Ola Källenius begutachten den Opel-Kleinstwagen Foto: S. Anker

Na ja, der Beweis steht auch für Opel noch aus. Aber da wir gerade beim Lästern sind: Am nächsten Morgen traf ich beim Frühstücken zufällig eine der vier Daimler-Größen wieder. Der Mann hatte natürlich für den Opel nicht viel übrig, irgendwie langweilig sei der.

Aber mal von diesem Geplänkel abgesehen: Dass Opel so etwas wie den Karl macht, leuchtet mir absolut ein. Unterhalb des Corsa braucht man heutzutage unbedingt ein Auto, ein ganz normales, möglichst preiswertes Von A-nach-B-Vehikel, das haben die anderen auch (VW Up, Ford Ka, Hyundai i10, Renault Twingo etc.). Opel hatte diese Position zwar besetzt (nein, nicht mit dem Adam), aber das Modell Agila hat nie so recht die Erwartungen erfüllt. Im Übrigen auch nicht die des Managements, was heutzutage offen zugegeben wird.

Opel Karl beim Genfer Salon 2015
Nach dem Opel Adam tritt mit dem Karl das nächste Modell an, das nach einem Mitglied der Gründerfamilie benannt ist (Adam Opels Sohn hieß allerdings Carl statt Karl, aber man wollte das Auto wohl deutscher wirken lassen) Foto: S. Anker

Das ist ohnehin die neue Opel-Leitkultur: die eigene Schwäche einräumen und Besserung geloben.  Wirkt sympathisch in all dem Größenwahn, der einem aus der Industrie entgegen schallt. Dennoch sollten sie in Rüsselsheim nicht vergessen, wieder die Kurve zu kriegen in Richtung der fröhlicheren Werbebotschaften. So ein ganz normales “Wir sind super, das wissen doch alle” würde der Opel-Werbung vielleicht mal wieder ganz gut tun, nachdem man sich jetzt ziemlich lange Asche aufs Haupt gestreut hat.

Erst hieß es “Umparken im Kopf”, und in dieser Kampagne spielte man mit den negativen Vorurteilen, die auf Opel lasten. Kernaussage, vor allem der TV-Clips: Soooo schlimm ist Opel doch gar nicht. Jetzt heißt es: “Oh, Opel”, was ich vor allem für die Einführung des Corsa nicht ganz verstehe. Wenn es ein Modell gab, was sich immer ordentlich verkauft hat, dann doch wohl der Corsa: Solide Technik, nette Optik, nicht überkandidelt, stets günstiger als VW – damit ist der Corsa gut gefahren, warum muss man ausgerechnet beim neuen und verbesserten Modell so tun, als wäre es – oh, Opel – ein Wunder, dass der Wagen gut ist?

Was mich allerdings tatsächlich überrascht hat, ist die Gediegenheit, die der kleine Karl ausstrahlt. Ich gebe zu, ich mag den Namen, und daher hat das Auto schon einen gefühlten Vertrauensvorschuss. Aber Cockpit, Lenkrad, Anfassqualität, das hat mir auch ohne Sympathiebonus gefallen. Auch sitze ich hinten einigermaßen, und wenn man den Kofferraum vergrößern will, kann man beide Teile der Rücksitzbank bewegen, die Lehne und die Sitzfläche. Das ist heute nicht mehr so en vogue, weil man glaubt, dass es den Leuten zu kompliziert sei, oder weil es zu teuer ist. Aber es hat den entscheidenden Vorteil, dass die entstehende Ladefläche dann nicht so eine entsetzliche Schräge aufweist, und das kann gerade bei einem nur 3,68 Meter kurzen Auto wichtig sein.

Genfer Salon 2015-466
Den Engländern bei der Opel-Schwester Vauxhall war der Name Karl offenbar eine Spur zu deutsch, die nennen den neuen Kleinstwagen Viva Foto: S. Anker

Also: Ich mag das Design, ich mag den Namen, und mit dem Innenraum könnte ich auch leben, wenn in meinem Leben Kleinwagen noch eine Rolle spielten. Das tun sie nicht, insofern bin ich vielleicht nicht der beste Ratgeber, auch nicht für Werbestrategien. Trotzdem würde ich mich freuen, wenn sie bei Opel wieder etwas mehr Gas gäben und die eigenen Stärken nicht als Überraschung, sondern als Selbstverständlichkeit kommentierte. Immerhin baut Opel mit dem Mokka eines der erfolgreichsten Klein-SUVs, und der Adam, irgendwo zwischen Corsa und Karl einsortiert, punktet sehr gut bei allen, die ein kleines rollendes Designerstück mit Individualisierungsmöglichkeiten brauchen. Ohne auf die Retro-Ideen Mini oder Fiat 500 zurückgreifen zu wollen.

Vermutlich wird Opel in Sachen Optimismus aber erst wieder aus der Deckung treten, wenn wir uns alle bei der nächsten großen Messe in Europa wieder treffen. Im September ist die IAA in Frankfurt, das Heimspiel der Deutschen und das von Opel ganz besonders. Da steht dann der neue Astra, und in diesem Zusammenhang zitiere ich gern einen Satz aus unserem großen PS-Welt-Gespräch zwischen einem Opel-Fan und dem Opel-Chef. Karl-Thiomas Neumann sagte uns damals: “Und ich habe bei der Arbeit am neuen Astra ganz deutlich gesehen, was man hier für Energien freisetzen kann. Wenn man die Kollegen herausfordert und sagt: Lasst uns doch mal versuchen, die Besten zu sein.”

Das ist der richtige Geist: Ein Astra, der am Ende besser ist als der Golf. Darauf bin ich gespannt, dafür drücke ich die Daumen, das fände ich interessant. Und heiß.

Die heißesten Autos von Genf, Teil 1: Natürlich McLaren

Die heißesten Autos von Genf, Teil 2: Der Borgward

Die heißesten Autos von Genf, Teil 3: Skoda Superb

Die heißesten Autos von Genf, Teil 4: Pullman

Die heißesten Autos von Genf, Teil 5: Ferrari 488

Die heißesten Autos von Genf, Teil 6: Rolls-Royce

Die heißesten Autos von Genf, Teil 8: VW

Die heißesten Autos von Genf, Teil 9: Porsche

Der Beitrag Die heißesten Autos von Genf, Teil 7: Opel Karl erschien zuerst auf PS.


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