Von STEFAN ANKER
Okay, wer den kleinen Opel von gestern unter meinen heißesten Genf-Neuheiten verdaut hat, den provoziere ich nun mit VW. Ich höre Sie schon alle protestieren: Was soll an VW denn heiß sein? Na ja, da muss ich vielleicht etwas ausholen.
Manchmal kann man einfach nicht mehr zurück von seiner ursprünglichen Idee. Manchmal muss man es eben durchziehen, und ich kann ja nicht mitten in der Serie den Titel ändern. Also geht es hier weiterhin um die heißesten Autos vom Genfer Salon, aber gemeint sind und waren natürlich die interessantesten. Die, über die es sich zu reden lohnt, meinetwegen auch heiß (ha!) zu streiten.
Und wo ginge das besser als bei den Ergebnissen des VW-Designs?
Ich habe VW in meine Liste mit aufgenommen, als ich in Genf die Plakate sah, die den Weg zum Konzernabend von Volkswagen anzeigten. Der Konzernabend ist eine Art Messe-Institution am Vorabend jeder bedeutenden Autoshow. Je nach verfügbarer Halle kommen 1000 bis 2000 Gäste zusammen, um sich schon vor dem ersten Pressetag ein paar wichtige Neuheiten zeigen zu lassen. Nicht immer von jeder der zwölf Konzernmarken, aber so sechs bis acht neue Autos sind meistens dabei. Das ist interessant, relevant und überdies noch praktisch für alle Berichterstatter. Oft gehe ich hin, dieses Mal hatte ich etwas anderes vor, obwohl die Plakate durchaus mein Interesse geweckt hatten.
“Moving Technology” stand darauf, es war das Genf-Motto des Konzerns. Und mir wollte die doppelte Bedeutung nicht aus dem Sinn. Betont man das erste Wort, dann geht es da um Bewegungs-Technologie, also eben Fahrzeuge, die einem die Mobilitätswünsche erfüllen (oder meinetwegen beim Umzug helfen, denn to move bedeutet auch umziehen). Aber man kann genausogut das zweite Wort betonen, dann handelt es sich plötzlich um bewegende, also berührende Technik.
Dieser Gedanke hat mich nicht losgelassen, und so bin ich besonders aufmerksam über die Stände von VW und den anderen Konzernmarken gegangen. Bewegend? Berührend? Wo bitte fasst mir ein VW Passat, gerade zum Auto des Jahres gewählt, ans Herz? Obwohl ich sein Design gelungen bis perfekt finde, trifft es doch nur den Verstand. Das gilt ebenso für die hochinteressante Studie Sport Coupé Concept, die sehr wahrscheinlich für zweierlei steht, nämlich für die Nachfolgegeneration des VW CC und für eine neue Kühlergrillgestaltung über die ganze Marke: noch akzentuierter, noch horizontaler, noch breiter.
Zudem zeigt das Sport Coupé Concept, was jeder neue VW zeigt. Die Außenhaut repräsentiert den Perfektionsanspruch, den sie in Wolfsburg an die innen eingebaute Technik stellen. Üblicherweise gibt es keinen Schwung, keinen Knick zu viel, die VW-Modelle sprechen allesamt eine kühle, klare Sprache. Bewegend finde ich das in keiner Weise, allerdings unbedingt nachhaltig. Einen VW Passat, Golf, Up wird man auch in zehn Jahren noch als Gebrauchtwagen kaufen können, ohne sich für abgewohntes Design schämen zu müssen.
Diesem wirklich großen Vorteil steht der Nachteil einer gewissen Emotionslosigkeit gegenüber. Und wenn man mal genau drauf achtet: Die kühle Strenge findet sich in den Entwürfen der anderen Marken ebenfalls wieder. Sei es die neue SUV-Studie von Seat, sei es der Skoda Superb oder der Audi R8, ja, selbst der Lamborghini Aventador: Nichts wirkt hier, als sei es dem Zufall überlassen. Kein Auto sieht so aus, als sei sein Designer nachts schweißgebadet aufgewacht und hätte den genialen Entwurf neben die Nachttischlampe gekritzelt.
Wenn das wirklich so ist, wie ich es empfinde, dann ist daran auch zu erkennen, wie geschickt Walter de’Silva die Zügel in der Hand hält, der Designchef des ganzen Konzerns. Jede Marke muss natürlich anders aussehen, doch die grundsätzliche gestalterische Richtung ist vorgegeben, ich finde, das kann man klar erkennen. Vielleicht muss das in einem Zwölf-Marken-Konzern auch so sein, dass nicht alle auf den Tischen tanzen, sondern dass der Kunde sich auch im Falle eines Auf- oder Abstiegs von Marke zu Marke noch zu Hause fühlt.
Und während ich noch darüber nachdachte, ob ich das jetzt gut oder schlecht finden soll, ob eine solche Design-Ausrichtung mit straffen Vorgaben typisch für einen Riesenkonzern ist (ist es nicht, siehe Toyota und vor allem GM), da sah ich aus dem Augenwinkel eine kleine Offenbarung aus dem weiten Geflecht der Volkswagen-Organisation: den Bentley EXP 10. Wie der Name andeutet, ein Konzeptauto (EXP für experimental car), und wie die Form andeutet, ein fast schon unverschämt direkter Konkurrent zum Porsche 911. Insofern hat EXP 10 vielleicht gar keine Chance auf Verwirklichung.
Aber wenn man mich fragen würde, dann fiele mir zu diesem Auto nur ein einziger Satz ein: Ich bin tief bewegt.
Die heißesten Autos von Genf, Teil 1: Natürlich McLaren
Die heißesten Autos von Genf, Teil 2: Der Borgward
Die heißesten Autos von Genf, Teil 3: Skoda Superb
Die heißesten Autos von Genf, Teil 4: Pullman
Die heißesten Autos von Genf, Teil 5: Ferrari 488
Die heißesten Autos von Genf, Teil 6: Rolls-Royce
Die heißesten Autos von Genf, Teil 7: Opel Karl
Die heißesten Autos von Genf, Teil 9: Porsche
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