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So kennen Sie Jeremy Clarkson noch nicht

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Jeremy Clarkson in der BBC-Sendung Top Gear
Jeremy Clarkson im Studio der BBC-Sendung Top Gear, die er von 1989 bis 1999 und von 2002 bis heute moderierte Foto: AP

 

Von STEFAN ANKER

Was haben wir nicht alles gelernt über Jeremy Clarkson in den letzten Tagen. Aufbrausend sei er, laut, rüpelhaft, zu Schlägereien neigend, rassistisch, homophob, frauen- und ausländerfeindlich. Und rechts natürlich. Das mag alles sein, allein: Keiner weiß es wirklich. Weil keiner, jedenfalls aus Deutschland, persönlichen Kontakt zu Clarkson hat. Ich stand einmal kurz davor, ein Interview mit ihm zu machen, was dann doch nicht geklappt hat. Aber seitdem kenne ich eine Eigenschaft von Jeremy Clarkson ganz genau.

Etwas richtig gutes Aktuelles zu Clarkson hat gerade die Daily Mail veröffentlicht, meine Story kommt aus dem Archiv, aber da habe ich auch ein paar Fundstücke ausgegraben, die ich weiter unten verlinke (und die sogar in deutscher Sprache zu lesen sind).

Also: Anfang  2010 trat unser Mastermind Ulf Poschardt an mich heran. Er sei mit der BBC-Lizenzabteilung in Kontakt, und man könnte doch mal Clarkson-Kolumnen in der “Welt am Sonntag” veröffentlichen. Ich möge mich um die Details kümmern, die Sachen müssten ja übersetzt und auch irgendwie bezahlt werden.

Das Übersetzen war eine Aufgabe, auf die ich mich freute, und es hat am Ende auch wirklich Spaß gemacht. Aber die Verhandlungen übers Geld: schrecklich. Clarkson verlangte doch tatsächlich… nein, das bleibt verborgen. Ich weiß, wir sollen uns im Internet alle schön transparent machen, aber ich habe gerade “Der Circle” ausgelesen, und darum mache ich das jetzt mal nicht.

Jedenfalls hat Clarkson etwa das Zehnfache dessen gefordert, was unsere Autoren sonst bekamen für eine Story, die man auf einer halben Seite drucken konnte. Und dann waren das ja schon fertige Texte, für die Clarkson vom englischen “Top Gear Magazine” also schon bezahlt worden war. No way, sagte ich, das kann ich nicht nur nicht bezahlen, das will ich auch nicht.

Telefonate und Mails zogen sich über Monate, und der arme Mann von der BBC hat immer wieder bedauert und gesagt, Clarkson wolle das eben so, und normalerweise bekomme er, was er verlange. Was Clarkson übrigens nicht wollte, war ein Gespräch mit der “Welt am Sonntag”, also mit mir oder sonst wem. Keine Lust, fertig.

Eigentlich ist es ziemlich normal, dass du mit einer großen Zeitung redest, wenn die deine Sachen druckt und dich dafür auch noch bezahlt, aber Clarkson ist eben nicht normal, das konnte man ja schon immer an seinen Sendungen sehen. Und nun ließ er mich eben über Bande hängen.

Eines Tages aber kam das Okay aus London: Sie hatten meinen Vorschlag (das Eineinhalbfache des normalen Satzes) akzeptiert. Mehr konnte ich einfach nicht bezahlen – um unsere anderen Autoren nicht zu demütigen, und um mein knappes Budget nicht so auszureizen, dass ich am Ende noch monatelang jeden einzelnen Text selbst hätte schreiben müssen (wo kommen wir denn da hin?)

Ich glaube heute, dass die BBC die Differenz zwischen dem Eineinhalbfachen und dem Zehnfachen draufgelegt hat,  die haben damals vermutlich schon an einer deutschen Ausgabe des “Top Gear Magazins” gearbeitet, und dafür wären die Kolumne in der “Welt am Sonntag” eine schöne PR-Begleitung gewesen.

Na ja, das “Top Gear Magazin” kam erst 2013 auf den Markt, insofern war die Investition vergebens. Wir hatten bei der “Welt am Sonntag” aber unseren Spaß mit den Clarkson-Texten (es gab auch ein paar böse Leserbriefe, aber das war okay), und ich habe mich an der Übersetzungsaufgabe gefreut. Besonders, weil die BBC mir erlaubt hat, Clarksons Texte nicht nur ins Deutsche zu übertragen, sondern auch zu kürzen.

Die heiligen Worte! Aber das musste sein, weil JC ständig auf aktuelle britische Skandale und auf Promis abhebt, die hier praktisch keiner kennt. Also geht es in den Übersetzungen nur um das, was alle überall verstehen: Autos.

Hier die pdf-Dateien der Clarkson-Kolumnen in der “Welt am Sonntag”. Nicht mehr taufrisch, aber sie lohnen sich immer noch. Mein Favorit steht ganz oben, weil es hier gegen mein Lieblingsauto geht.

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Falls sich jemand fragt, warum ich hier pdf-Dateien hinterlege und nicht einfach auf Online-Geschichten verlinke: Sie stehen nur schmucklos, also als reiner Text ohne Gestaltung und Illustration, im Online-Archiv der “Welt”, sind also nie für die Onlineausgabe der “Welt” produziert worden. Warum? Ich weiß es nicht mehr. Aber weil ich Clarkson als so gierig kennen gelernt habe, vermute ich, dass die Online-Nutzung ein Extra-Honorar gekostet hätte.

 

 

Der Beitrag So kennen Sie Jeremy Clarkson noch nicht erschien zuerst auf PS.


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