Von STEFAN ANKER
Gerade sitze ich ziemlich jetgelagged (gejetlagged?), also jedenfalls müde am Schreibtisch, weil ich von der New York Auto Show komme – leider einen Tag früher als sonst, also auch bevor die Jury des World Car of the Year (WCOTY) ihre Preise vergeben hat. Aber es gibt ja E-Mail. Und jetzt ist es heraus: Mercedes ist dieses Mal der ganz große Abräumer.
Das aller-allerbeste Auto dieses Jahres (und meinetwegen müsste man diesen Titel nicht mit weiteren Kategorien erweitern) ist, ta-taaaa: die C-Klasse von Mercedes. 75 internationale Motorjournalisten aus einigen Ländern (ich weiß nicht auswendig, wie viele, und ich bin zu müde, das jetzt zu recherchieren) können nicht irren, zumal ich ja auch dazu gehöre. Insofern verbietet sich natürlich jede Kritik an der Entscheidung.
Im Ernst: Es stimmen Amerikaner, Asiaten, Ost- und Westeuropäer mit, sogar Australier, da kommt schon eine interessante Form der Schwarmintelligenz zusammen. Und: Die C-Klasse ist ein her-vor-ragendes Auto, das habe ich gerade wieder bemerkt, als ich unlängst die neue Plug-in-Hybridversion C 350e gefahren habe. Beim C63 AMG sowieso. Und der Geheimtipp ist der neue C 450 Sport, sozusagen AMG Light. Was mir, wenn überhaupt, finanziell näherliegt, ist der C 250 mit seinem famosen 211-PS-Benziner.
Ich bin also ganz und gar einverstanden mit der Entscheidung, auch wenn ich selbst den VW Passat knapp vorn hatte. Aber ich bin eigentlich froh, dass der sich nicht durchsetzen konnte, weil die letzen drei Jahre hintereinander ein Produkt aus dem Volkswagen-Konzern gewonnen hat. Da war es mal wieder Zeit für etwas anderes.
Bei Daimler genehmigen sie sich jetzt wahrscheinlich ein Schlückchen, denn sie haben zwei weitere WCOTY-Preise geholt: Der AMG GT wurde Sportwagen des Jahres, auch da kann ich absolut mitgehen, das Auto ist ein extrem heißes Teil. Und World Luxury Car ist das S-Klasse Coupé. Was soll man sagen, technisch ist das Auto outstanding, in Sachen Luxus durch Understatement hätte es vielleicht auch andere Kandidaten gegeben.
Apropos Design: Tatsächlich hat unsere Jury den Citroen C4 Cactus zum Designerstück des Jahres gewählt. Na ja, meinetwegen. Aber ich bin doch sehr gespannt, wie lange dieses spezielle Design sich hält. Spätestens wenn alle mit zerschrammten Bumpern an den Türen herumfahren, weil sie die Mühen des Austausches scheuen, kann der Anblick eines Citroen Cactus auch mal zur Belastung werden.
Ja, und dann ist da noch das Green Car of the Year: BMW i8. Vielleicht der Preis, der am ehesten die Sehnsucht der Motorjournalisten nach einem Leben widerspiegelt, in dem man ein schnelles Auto fahren kann, aber trotzdem nur zwei, drei Liter verbraucht.
Die Norm ist dein Freund, kann ich den Plug-in-Hybriden dieser Welt nur zurufen (auch dem Mercedes C 350e), und beim Plug-in-Sportwagen kommt der irreale Maßstab ebendieser Norm besonders zum Tragen. Ja, der Elektromotor hilft dem Sportwagen beim zackigen Beschleunigen, und wenn er das macht, verbraucht er natürlich kein Benzin, sondern Strom. Doch die eigentliche Qualität des Plug-in-Hybridantriebs ist, dass er seinen Fahrer fasziniert, ihn für die Energieflüsse im Auto sensiblisiert und ihn quasi nebenbei zu einem effizienteren Fahrstil erzieht.
Wenn ich aber effizient sein will, warum kaufe ich dann einen Sportwagen, den ich mit johlendem Motor ums Eck jage? Ich persönlich halte Plug-in-Hybridsportwagen allenfalls für Technologieträger, aber sicher nicht für auszeichnungswürdige Öko-Konzepte. Man kann einfach nicht beides auf einmal haben.
Trotzdem freue ich mich schon jetzt auf die nächste Abstimmung und – irgendwann – auf die sechste Kategorie: World Autonomous Car of the Year.
Der Beitrag Mercedes baut die besten Autos. Sind wir uns da einig? erschien zuerst auf PS.